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02.09.2022

Historische Lohgruben bei Tiefbauarbeiten in der Lohstraße entdeckt

Die Stadt Hann. Münden begleitete die Bauarbeiten archäologisch

02.09.2022

In dieser Woche fanden auf einem Privatgelände in der Lohstraße Tiefbauarbeiten statt. Dabei machten die Bauarbeiter eine interessante Entdeckung. Um an den zu bearbeitenden Abwasserkanal zu gelangen, musste die Boden aufgegraben werden. Zum Vorschein kamen dabei historische Lohgruben.

Der Bauherr schalte umgehend die Stadtverwaltung ein, die die Bauarbeiten archäologisch begleitete. Nicole Prediger (Leiterin des Bereichs Stadtentwicklung), Sabine Momm (Fachdienst Denkmalschutz und Stadtbildpflege) sowie Stadtarchivar Stefan Schäfer schauten sich den Befund genau an: „Bei den Baggerarbeiten wurden drei Lohgruben angeschnitten, die im erheblichen Maße mit Lohe, das heißt Rückständen der Ledergerbung aus zerkleinerter Eichenrinde, aufgefüllt waren. Die Gruben waren mit Eichenbohlen und Brettern sorgfältig nach unten und an den Seiten rechtwinklig ausgebaut. Der Grubeninhalt war noch nass durchtränkt, da die Gruben sowohl zur Seite als auch nach unten offenkundig mit Eichenbohlen ausgekleidet waren. Die Befunde wurden baubegleitend archäologisch durch die Firma Streichhardt und Wedekind aufgenommen“, informierte Stefan Schäfer.

Bereits für das Mittelalter kann in diesem Quartier die Verarbeitung von Tierhäuten zu Leder vermutet werden. Die Eichenrinde als Gerbstoff wurde in der Lohmühle an der Werra aufbereitet. Recherchen im Stadtarchiv ergaben folgendes: Die Bebauung des früheren Grundstücks Lohstraße 9 war 1990 weitestgehend abgebrochen worden. „Hier befanden sich mehrere Gebäude der vormaligen Gerberei Haase. Über drei Generationen wurde hier durch die Familie Haase Leder verarbeitet. Sie hatte die Gerberei von Georg Philipp Lobenstein 1868 übernommen“, so Schäfer.

Und weiter: „Im Jahre 1880 brach ein Feuer in der Gerberei aus und beschädigte die Häuser sehr. Es handelt sich um die Häuser Lohstraße 11 und 12, so die alte Nummerierung. Diese wurden später unter der Hausnummer Lohstraße 9 zusammengefasst. Nach dem Brand ließ Friedrich Haase das Unternehmen, unter Hinzunahme des Nachbarhauses Nr. 12, ehemals Schmiedemeister Bloedel, wiederaufbauen. Fortan firmierte das Unternehmen als Lederfabrik. Im Herbst 1924 brach ein erneutes Feuer auf dem Gelände aus, so dass wiederum Neu- und Umbauten erforderlich wurden“, erklärt der Stadtarchivar, der sich dabei auf die Aufzeichnungen eines Gustav Blume beruft. „Leider fehlen Bauantragsunterlagen für den Wiederaufbau der Lederfabrik nach dem Brand von 1880. Sowohl in den Bauanträgen von 1924 und 1938 werden die nun enddeckte Gruben als „freie“ Hoffläche ausgewiesen.“

Historische Lohgruben bei Tiefbauarbeiten in der Lohstraße entdeckt M. Simon / Pressestelle Hann. Münden
Begleiteten die Bauarbeiten archäologisch: (v.li.) Stadtarchivar Stefan Schäfer, Denkmalpflegerin Sabine Momm und Nicole Prediger, Leiterin des Bereichs Stadtentwicklung. Im Hintergrund ist Ralph Franklin zu sehen, der für das Unternehmen F.W. Kirchner Baugeschäft zuständig ist. Nicht im Bild zu sehen ist Franklins Kollege Thomas Rademaker.
M. Simon / Pressestelle Hann. Münden

Während der Baggerarbeiten wurden Alltagsgegenstände zu Tage gefördert, darunter eine 16 Zentimeter hohe industriell gefertigte Glasflasche aus hellbraunem Glas mit ca. 0,2 Litern Füllmenge. „Nicht näher untersuchte Fragmente eines Weinrömers, eine Kanne oder Vase deuten auf eine Verfüllung im Zusammenhang mit dem Umbau der Fabrikation im Jahre 1924 hin. Insofern können die Gruben mit den Umbauarbeiten der nach dem ersten Brand im Jahre 1880 entstanden sein. Sie unter anderem mit der ausgelaugten Lohe Lederresten und anderen Stoffen zu verfüllen, war ein Teil der gewerblichen Abfallentsorgung auf dem eigenen Grundstück“, sagt Schäfer.

Im Jahre 1954 sei die Umnutzung der ehemaligen Fabrik als eine Autogarage beantragt worden. Auch die Mündener Gummiwerke nutzten die leerstehenden Räume zeitweise. Friedrich Haase ist 1952 nach München gezogen. Eine Abmeldung des Betriebes fehle in den Unterlagen des Gewerbeamts nach 1945, müsse jedoch als wahrscheinlich angesehen werden, teil Schäfer mit. Damit endete das Kapitel der Lederfabrik Haase. Die Wentzlersche Lederfabrik in der Siebenturmstraße sollte noch bis in die 1960er Jahre weiterbestehen. Sie stand im Wesentlichen auf dem heutigen Gelände der Tiefgarage am August-Natermann-Platz.

Autor/in: M. Simon, PRESSESTELLE

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