Vorlage - BesV/0629/10  

 
 
Betreff: Antrag der K+S KALI GmbH auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die dauerhafte Einleitung von salzhaltigen Wässern in die Werra
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Federführend:FD Stadtplanung Beteiligt:Betrieb Stadtwald
Bearbeiter/-in: Pflum, Siegfried   
Beratungsfolge:
Umweltausschuss (Landwirtschaft, Öffentliches Grün, Stadtwald und Agenda 21) Vorberatung
19.08.2010 
15. Sitzung des Umweltausschusses geändert beschlossen   
Verwaltungsausschuss Entscheidung
25.08.2010    54. Sitzung des Verwaltungsausschusses      

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Finanzielle Auswirkungen

Beschlussvorschlag:

Der Verwaltungsausschuss fordert die Verwaltung auf, ggf. in Kooperation mit anderen Werra- und Weseranrainergemeinden auf eine dauerhafte Reduzierung der Salzwassereinleitung und die Einhaltung der Zielvorgaben der Wasserrahmenrichtlinie hinzuwirken und ablehnend zum Bau der Salzpipeline und zur Einleitung von salzhaltigen Abwässern aus dem Werk Neuhof-Ellers Stellung zu nehmen.


Sachverhalt, ggf. mit gesetzlichen Grundlagen:

Die K+S KALI GmbH hat beim Regierungspräsidium Kassel einen Rahmenbetriebsplan gemäß § 52 Abs. 2 a Bundesberggesetz für den Bau und Betrieb einer Rohrleitung einschließlich der Errichtung und des Betriebes aller zum Betrieb notwendigen technischen Einrichtungen vom Werk Neuhof-Ellers an der Fulda nach Philippsthal zur Werra eingereicht, um die im Bereich des Werks Neuhof anfallenden salzhaltigen Wässer in die Werra einzuleiten.

Der Rahmenbetriebsplan sieht weiterhin vor, die salzhaltigen Wässer im Bereich des Werks Hattorf über eine neue, von den derzeitigen Einleitstellen des Werks Werra getrennte, separate Einleitstelle unbefristet in die Werra einzuleiten. Die Einleitung soll im Rahmen einer Salzlaststeuerung und unter Beachtung der am Pegel Gerstungen bereits festgesetzten bzw. nach Auslaufen der derzeit noch gültigen wasserrechtlichen Erlaubnis am 30.11.2012 noch festzusetzenden Grenzwerte erfolgen.

Das Regierungspräsidium Kassel hat nunmehr das erforderliche Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Nach § 73 Abs. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) sind die Planunterlagen in den Gemeinden, in welchen sich das Vorhaben auswirkt, für die Dauer eines Monats zur Einsicht auszulegen. Die Planunterlagen sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen werden voraussichtlich in der Zeit vom 23.08.2010 bis zum 22.09.2010 zur Einsicht für die Öffentlichkeit ausgelegt. Jedermann kann sich bis spätestens zwei Wochen nach Beendigung der Auslegung (d.h. bis zum 06.10.2010) bei der Stadt Hann. Münden, schriftlich oder zur Niederschrift zu dem Vorhaben äußern. Die Gemeinde leitet die fristgerecht vorgebrachten Äußerungen an die Planungsbehörde weiter.

Parallel zur Beteiligung der Öffentlichkeit ist die Stadt Hann. Münden als betroffene Kommune und Trägerin öffentlicher Belange aufgefordert, bis zum 30.09.2010 zu den vorliegenden Unterlagen Stellung zu nehmen.

Die Anrainerländer an Werra und Weser haben in den letzten Jahrzehnten diverse Leitkonzepte und Maßnahmenprogramme zur Verbesserung der Fluss-Ökosysteme entwickelt und durch einen konzentrierten Mitteleinsatz erreicht, dass die Salzkonzentration von Werra und Weser deutlich abgenommen hat. In Folge hat die Unterwasserflora- und -fauna in ihrer Vielfalt zugenommen. Dieser langfristige Regenerationsprozess würde dauerhaft zum Stillstand kommen, wenn durch den Bau der Salzwasser-Pipeline die Einleitung von Salzlauge in Phillipsthal für die nächsten Jahrhunderte verstetigt wird.

Die K + S KALI GmbH als Hauptverursacher der Salzbelastung in Werra und Weser wurde massiv mit öffentlichen Mitteln gefördert. Im Gegenzug sollten neue Verfahren zur Behandlung der salzhaltigen Abwässer entwickelt und die Salzbelastung in Werra und Weser dauerhaft gesenkt werden. Das im Rahmen des Bund-Länder-Abkommens vom 30.03.1992 für das Jahr 1995 vorgegebene Güteziel eine maximalen Chloridkonzentration in der Werra am Pegel Gerstungen von 2.500 mg/l wurde trotz öffentlicher Förderung von K + S erst im Jahr 2000 erreicht. Maßnahmenprogramme bzw. verbindliche Festlegungen für eine weitere Reduzierung der Chlorid-Konzentration stehen aus.

Inzwischen (im Jahr 2000) ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Kraft getreten. Für Werra und Weser sind bis Ende 2009 Bewirtschaftungspläne aufzustellen mit dem Ziel, für alle Oberflächengewässer einen guten chemischen und guten ökologischen Zustand (Güteklasse 2) zu erreichen. Dabei hat die EU hinsichtlich der Chlorid-Konzentration das Güteziel auf 250 mg/l festgesetzt. Die Bewirtschaftungspläne mit den enthaltenen Maßnahmenprogrammen sind bis 2015 umzusetzen.

Nach Untersuchungen von Prof. Dr. Braukmann und Dipl.-Ing. Gerd Hübner von der Uni Kassel aus dem Jahr 2003 ist die Wasserqualität der Werra als schlecht (Güteklasse 5) einzustufen. Die Chlorid-Konzentration in der Werra hat die Unterwasserfauna derart verändert, dass sie in Artenzusammensetzung und -vielfalt immer noch weit entfernt von der Referenzfauna ist.

Hinsichtlich der Absenkung der Zielvorgaben oder einer Fristverlängerung zum Erreichen der Ziele sieht die WRRL folgende Ausnahmeregelungen vor:

        Eine Abminderung der Güteziele ist in den Fällen möglich, wo die natürlichen Bedingungen oder die menschlichen Nutzungsansprüche eine Erreichung des guten Zustandes unmöglich oder unverhältnismäßig teuer machen.

        Eine Fristverlängerung steht unter der Voraussetzung, dass technische Gründe, unverhältnismäßige Kosten oder die natürlichen Bedingungen keine schnellere Erreichung des Ziels zulassen.

Besondere Gründe, die eine Ausnahme von den Gütezielen der WRRL rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Vielmehr kann festgestellt werden, dass es durch die Vorbehandlung der Salzlauge und das Einleitungsmanagement der K + S im Werk Werra in Phillipsthal gelungen ist, den genehmigten Grenzwert von 2.500 mg/l Chlorid am Pegel Gerstungen zu unterschreiten und erhebliche Reservepotentiale für zusätzliche Einleitungen zu erarbeiten / zu entwickeln. Nur so lässt sich erklären, dass K + S die Investitionen auf sich nehmen will, um eine 62 km lange Salz-Pipeline vom Werk Neuhof-Ellers nach Phillipsthal zu planen und zu bauen.

Der Bau der Abwasserdruckleitung mit dem Ziel, die genehmigten Grenzwerte für die Einleitung chloridhaltiger Abwässer in die Werra auszuschöpfen und die Chlorid-Konzentration in der Werra auf erhöhtem Niveau zu verfestigen, verstößt gegen das Verschlechterungsverbot der WRRL und würde eine Aufwertung der Gewässergüte von Werra und Weser auf Dauer unmöglich machen.

Es kann nicht sein, dass mit dem Bau der Salz-Pipeline erst die wirtschaftlichen und technischen Zwänge geschaffen werden, die dann später als Rechtfertigung für die Ausnahmen von der WRRL herhalten sollen.

Es bleibt fraglich, inwieweit es mit der WRRL vereinbar ist, Gewässerbelastungen über eine Strecke von 62 km zu transportieren, um sie dort in einen Fluss einzuleiten, der über erhebliche Regenerationspotentiale verfügt, und diese dauerhaft zunichte zu machen. Der K + S-KALI GmbH muss deutlich werden, dass es sich bei der geplanten Entsorgung der chloridhaltigen Abwässer in die Werra um eine Übergangslösung handelt, die spätestens ab 2012 in den derzeit genehmigten Ausmaßen / Konzentrationen nicht mehr möglich sein wird.

Der Bau der Salz-Pipeline und die Einleitung der salzhaltigen Wässer ist daher abzulehnen.

 


Finanzielle Auswirkungen, einschließlich Folgekosten:

Im Rahmen der Kooperation mit anderen Anrainergemeinden ist vorgesehen, Sachverständige und Juristen einzuschalten. Die hierzu erforderlichen Kosten können noch nicht beziffert werden.