Beschlussvorschlag:
Sachverhalt, ggf. mit gesetzlichen Grundlagen:
I. Rechtsrahmen für den ÖPNV
Im Bereich des ÖPNV hat die Stadt Hann. Münden die europäische Verordnung (EG) Nr. 1370/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/2338 vom 14.12.2016 („VO 1370/2007“) zu beachten. Die VO 1370/2007 regelt, unter welchen Bedingungen eine zuständige Behörde im Sinne dieser Verordnung privaten oder öffentlichen Verkehrsunternehmen, die öffentliche Personenverkehrsdienste betreiben, in beihilfenrechtskonformer Weise eine Ausgleichsleistung für die Kosten gewähren kann, die den Unternehmen durch die Erfüllung sog. „gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen“ bei der Erbringung dieser Verkehre entstehen. Grundlage für die Gewährung eines solchen Ausgleichs, der nicht nur die direkte Gewährung von Ausgleichszahlungen durch eine zuständige Behörde, sondern u.a. auch die Finanzierung des ÖPNV im Rahmen des sog. steuerlichen Querverbunds umfasst, ist ein sog. öffentlicher Dienstleistungsauftrag gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 1370/2007 („öDA“). Neben den beihilfenrechtlichen Anforderungen enthält die VO 1370/2007 auch vergaberechtliche Bestimmungen. So wird festgelegt, in welchem Verfahren öDA vergeben werden können. Die Vergabe hat danach im Grundsatz wettbewerblich über europaweite Ausschreibungen zu erfolgen. Allerdings erlauben die VO 1370/2007 u.a. auch wettbewerbsfreie Direktvergaben an die eigenen Verkehrsunternehmen der jeweils zuständigen Behörden. So sieht die VO 1370/2007 zudem auch die Möglichkeit einer sog. Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags vor, wenn bestimmte Schwellenwerte nicht überschritten werden (Verkehrsleistung von nicht mehr als 300.000 km p.a.; Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007.
II. Laufende Direktvergabe
Die Stadt Hann. Münden ist in ihrem Zuständigkeitsbereich gemäß § 4 Abs. 2 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz („NNVG“) Aufgabenträger für den straßengebundenen ÖPNV und somit zuständige Behörde im Sinne von Art. 2 lit. c) VO 1370/2007. Zur Sicherstellung des Stadtverkehrs hatte die Stadt Hann. Münden in ihrer Funktion als zuständige Behörde bereits mit Ratsbeschluss vom 12.12.2013 (BesV/0473/13) die Versorgungsbetriebe Hann. Münden GmbH („VHM“) als 100 %ige Tochtergesellschaft der Stadt über einen öDA gemäß Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007 mit der Erbringung des Stadtverkehrs in ihrem im Kernstadtgebiet Hann. Münden sowie in den Orteilsteilen Lippoldshausen und Wiershausen vom 01.08.2015 bis zum 31.07.2025 direkt betraut. Da die VHM als sog. Verkehrsmanagementgesellschaft greift sie für den operativen Fahrbetrieb auf einen Subunternehmer, die Regionalbus Braunschweig GmbH (RBB) zurück. Die VHM hatte der RBB ihrerseits nach einer europaweit durchgeführten wettbewerblichen Ausschreibung den Zuschlag für die Erbringung der Nachunternehmerleistungen erteilt. Dieser Nachunternehmervertrag endet zeitgleich mit dem öDA der VHM zum 31.07.2025.
III. Absicht zur erneuten Direktvergabe
Mit dem absehbaren Laufzeitende des öDA zum 31.07.2025 ist nunmehr eine Anschlussregelung ab dem 01.08.2025 erforderlich. Die Stadt Hann. Münden beabsichtigt vor diesem Hintergrund eine Fortsetzung der Sicherstellung des Stadtverkehrs im Kernstadtgebiet Hann. Münden und den Orteilsteilen Lippoldshausen, Wiershausen sowie den Ortsteilen Bonaforth, Hedemünden, Laubach und Oberode (mit einer Gesamtleistung von < als 300.000 km p.a.) durch die VHM. Die Stadt nutzt damit die ihr durch die VO 1370/2007 eingeräumte Möglichkeit, den Stadtverkehr mit einem eigenen Verkehrsunternehmen unter Beachtung der allgemeinen und speziellen Direktvergabevoraussetzungen (vorliegend insb. des Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007). Sie ist damit bereit, eine Erfüllungsverantwortung für den Stadtverkehr auf ihrem Gebiet zu übernehmen und ein aus ihrer Sicht über viele Jahre erfolgreiches Modell der Aufgabenerledigung nachhaltig zu sichern. Ziel ist es ferner, dass die derzeitige „Finanzierung des Stadtverkehrs im steuerlichen Querverbund“ unter Beibehaltung der bisherigen Strukturen und unter Einbindung eines in einem wettbewerblichen Verfahren ermittelten Subunternehmers zur operativen Sicherstellung des Fahrbetriebs beibehalten wird. Jenseits der rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen spricht – mit Blick auf das Thema „Verkehrswende“ – insbesondere auch die folgende Erwägung für die Direktvergabe an VHM und gegen eine, ebenfalls denkbare, wettbewerbliche Ausschreibung des Stadtbusverkehrs: Eine Direktvergabe an ein eigenes Verkehrsunternehmen, wie die VHM, bietet ein Höchstmaß an Gestaltbarkeit und kommunalem Einfluss auf den Betreiber und damit auf das gesamte Stadtverkehrsangebot. Der Angebotsumfang und die Angebotsqualität, die in einem dynamischen System wie dem ÖPNV nicht starr sein dürfen, lassen sich im Rahmen der Direktvergabe schnell und flexibel gestalten, wohingegen eine wettbewerbliche Vergabe durch eine enge Leistungsbeschreibung mit geringen Änderungsspielräumen gekennzeichnet wäre. Vor der Erteilung des neuen öDA an die VHM hat die Stadt Hann. Münden ein feststehendes Verfahren durchzuführen. Dazu ist gemäß Art. 7 Absatz 2 VO 1370/2007 und § 8a Absatz 2 PBefG, spätestens ein Jahr vor der Direktvergabe, maximal aber 27 Monate vor der Betriebsaufnahme, eine Vorabveröffentlichung der Vergabeabsicht im EU-Amtsblatt zu veröffentlichen. Mit der Veröffentlichung wird eine Frist von einem Jahr ausgelöst. Erst nach deren Ablauf kann die Direktvergabe wirksam gegenüber der VHM durch Erteilung des öDA umgesetzt werden. Da innerhalb der ersten drei Monate dieser Jahresfrist interessierte Unternehmen Anträge für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb des Stadtverkehrs (= zuschussfreie Verkehre) stellen können, sind die von der Stadt Hann. Münden gewünschten zukünftigen qualitativen und quantitativen Anforderungen an den Stadtverkehr in der Vorabveröffentlichung darzustellen. Diese Anforderungen sind später auch in den öDA zu übernehmen und bilden die Grundlage für die Sicherstellung des Stadtverkehrs durch die VHM. Diese Anforderungen werden im Rahmen der Vorabbekanntmachung über die Anlage „Ergänzendes Dokument“ festgelegt. Typische Inhalte eines solchen konkretisierenden Dokuments sind z. B. die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des öDA geltenden Linienführungen, Taktungen und Betriebszeiten, die anzuwendenden Tickettarife sowie sonstige qualitative Standards und Fahrzeuganforderungen (wie zB die Antriebstechnik).
Mit diesem Beschluss wird die Verwaltung der Stadt u. a. mit der Ausarbeitung des Entwurfs der Vorabbekanntmachung sowie der entsprechenden Anlagen in Abstimmung mit der VHM beauftragt. Im Rahmen der Erarbeitung der Vorabbekanntmachung ist darauf zu achten, dass Teile der von der VHM aktuell erbrachten ergänzenden Verkehrsleistung (incl. Samstagsverkehre) durch Landesmittel gemäß § 7 b NNVG und andere Teile mit dem Fokus „Schüler und Auszubildende“ durch eine Zuschussgewährung von Seiten des Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen („ZVSN“) finanziert werden. Würden diese Finanzierungsanteile ganz oder anteilig entfallen, wären auch die entsprechenden Verkehrsleistungen zu reduzieren. Dies ist durch entsprechende „Optionsbeschreibungen“ in der Vorabveröffentlichung kenntlich zu machen. Die Verwaltung der Stadt hat ferner zudem das Fortbestehen der aktuellen Finanzierung durch den ZVSN zu klären und in diesem Zusammenhang ggf. erforderliche Maßnahmen zu deren Gewährleistung (zB. Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung o.ä.) zu ergreifen. Ergänzend zur Erarbeitung und Veröffentlichung der Vorabbekanntmachung wird die Verwaltung den erforderlichen öffentlichen Dienstleistungsauftrag in Abstimmung mit der VHM im Entwurf erarbeiten, damit dieser vor der eigentlichen Erteilung an die VHM nach Ablauf der einjährigen Wartefrist zur konkreten Beschlussfassung über die eigentliche Vergabeentscheidung in den Rat der Stadt Hann. Münden eingebracht werden kann.
Finanzielle Auswirkungen, einschließlich Folgekosten:
Der steuerliche Querverbund zwischen der Versorgungsbetriebe Hann. Münden GmbH (VHM) und dem Eigenbetrieb Städtische Beteiligungen der Stadt Hann. Münden reduziert den ÖPNV-Aufwand im städtischen Haushalt um bis zu 100.000 €. Gleichzeitig verringert sich dadurch die Gewinnabführung der VHM um jährlich bis zu ca. 35.000 €.
Klimatische Auswirkungen:
Durch die Umsetzung des Vorhabens sind keine positiven oder negativen Auswirkungen auf die klimatische Situation bekannt oder zu erwarten, weshalb eine Umsetzung als klimaneutral bewertet werden kann.
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